Konzept
Die deutsche Künstlergruppe DIE REDNER widmet ihr filmisches und musikalisches Projekt in 2014 dem senegalesischen Dichter und Politiker Léopold Sédar Senghor.
Klischees und Schicksale von Afrika, die durch unsere Kolonialgeschichte, den Welthandel oder Spekulationen (zB. "land-grabbing") mit entstanden sind, lassen den ganzen Erdteil oft als Verlierer dastehen. Senghor hatte sich schon damals dagegen gestellt.
Es gilt, diesen Teil des riesigen, heterogenen Kontinent kontrastreich zu beleuchten, erscheint er uns teils wie gelähmt, gleichzeitig auch lebenshungrig, fortschrittlich und hoffnungsvoll.
Während der Arbeit an den Orten in Deutschland und Senegal suchen
DIE REDNER weiter Parallelen zwischen den beiden Ländern bzw. Kontinenten, sowohl in der Poesie als auch in der Politik.
Dauer: 80 Minuten
Besetzung
Konzept, Komposition und Inszenierung: Florian Penner, Oliver Strauch
Drums, Perkussion: Oliver Strauch
Kontrabass, E-Bass | Film & Animation: Florian Penner
E-Gitarre, Akustikgitarre: Christian Kögel
Trompete, Flügelhorn: Timo Görlich
Technik: Ole Kersjes
Licht: Philipp Neumann
Audio Vorproduktion: Leo Kwandt, Bernhard Wittmann
Mit-Redner
Der Senegalese Léopold Sédar Senghor erhielt 1968 für seine literarischen, gewissermaßen auch für seine politischen Leistungen den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Anlässlich der Preisverleihung hielt Senghor eine Rede in der Paulskirche in Frankfurt. Erstmals war damals ein Afrikaner der Preisträger, dieser formulierte Forderungen nach "Versöhnung der Gegensätze" und stellte durch Goethes Gedichte auch noch direkte kulturelle Bezüge zu Deutschland her. Die Krawalle vor der Paulskirche schaukelten sich in die Höhe, und führende Vertreter der Studentenschaft waren vor Ort.
Die Rede
Ausschnitt der Rede von Léopold Sédar Senghor anlässlich der Verleihung des Friedenspreis 1968 (Frankfurt/M., Paulskirche)
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Über den Staatschef und den Mann der Feder hinaus gilt Ihre Auszeichnung zudem auch dem senegalesischen Volk. Im selben Afrika, in dem immer noch all zu oft bei den Weißen das Rassen- und bei den Schwarzen das Stammesdenken vorherrscht, hat es dieses Volk verstanden, seine völkischen, sozialen und kulturellen Unterschiede in einer Symbiose zu überwinden, in der sich all diese verschiedenartigen Reichtümer gegenseitig ergänzen.
Das alles hindert nicht, daß die heutige Feier etwas Merkwürdiges an sich hat. Da geben Sie den Friedenspreis einem ehemaligen Kriegsgefangenen der deutschen Wehrmacht, einen Preis, der immerhin als literarischer Preis gemeint ist, einem alten Vorkämpfer der Négritude, der kulturellen und politischen Eigenständigkeit des Negertums. Eine wahrhaft merkwürdige Feier, die doch so gut unsere Zeit der Gewalt und Verwirrung und zugleich der anbrechenden Morgendämmerung und Klarheit kennzeichnet, diese zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, die wir gemeinsam erleben. Seltsam also und doch bezeichnend und nicht ohne Sinn. Denn auch in den Kriegsgedichten dieses Dichters und Gefangenen werden Sie kein Wort des Hasses gefunden haben. Und jener Vorkämpfer des Negertums legte großen Wert darauf, zugleich auch ein Vorkämpfer der künftigen Weltkultur zu sein.
Ein europäischer Geistlicher, der Leiter des Collège Libermann, eines Priesterseminars in Dakar, wurde nicht müde, uns immer von neuem zu wiederholen, daß unsere afrikanischen Vorfahren keine Kultur geschaffen, sondern uns nur eine tabula rasa, eine völlige Leere hinterlassen hätten, von der ausgehend man alles erst neu schaffen müsse.
Die jungen Widerspruchsgeister, die wir damals waren, uns, die wir glaubten, ein ordentliches Leinengewand beanspruchen zu können, stieß er ständig auf die Ebene unseres herkömmlichen Lendenschurzes zurück. Dazu kam dann das holzhammerartig vorgetragene Argument, wir ließen uns von der Musik, vom Klang der Worte bezaubern, statt uns an ihre Substanz, ihre Bedeutung zu halten - was natürlich eindeutig bewies, daß wir keine Kultur hatten.
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